Erektile Dysfunktion ist eine Krankheit

Vorschlag zur Einordnung des Tabuthemas erektile Dysfunktion / Erektionsstörung

Zuletzt aktualisiert: April 2024

Bluthochdruck Erektionsstörungen Impotenz

Vergleicht man(n) sich mit dem in der Werbung transportierten Bild von Männlichkeit und Sexualität, kann der normalsterbliche Mann wohl eher schlecht als recht „mithalten“.

Der Mann, der immer kann, die sexuelle Befriedigung als ein hohes Gut, das Teil von Erfolg, Glück und Lebenszufriedenheit ist. Wer von diesem Klischee abweicht, gilt als Versager – mindestens sich selbst gegenüber und so schweigt man lieber. Dabei ist die Fähigkeit zur Erektion alles andere als stetig gleich und insgesamt als Teil eines komplexen biologischen Systems durchaus anfällig. Ist es vielleicht an der Zeit umzudenken?

Weg mit dem Tabu!

Wer außerhalb der vermeintlichen Norm liegt, fühlt sich ausgegrenzt, unmännlich oder als Versager. Die Folge ist eine Tabuisierung. Das gilt in einem hohen Maße auch für die Impotenz – medizinisch korrekt erektile Dysfunktion.

Impotenz an sich ist bereits ein Begriff, der so negativ aufgeladen ist, dass er unbrauchbar wird. Neben dem medizinischen Begriff erektile Dysfunktion ist es daher sinniger, von Erektionsstörungen zu sprechen.

Da Erektionsstörungen noch immer so ein starkes Tabu sind, findet oft nicht einmal ein Gespräch zwischen den Partnern statt. Stattdessen werden Ängste und Sorgen verheimlicht, die Versagensängste steigen, bei der Partnerin entstehen Unsicherheiten und schließlich wird die Partnerschaft stark belastet – nicht durch die Erektionsstörung, sondern durch die nicht vorhandene Kommunikation.

Hilfreich für das Zurückerlangen der Erektionsfähigkeit ist das zudem auch nicht – ganz im Gegenteil. Erektionsstörungen sind kein Tabu! Der erste Schritt im richtigen Umgang mit Erektionsstörungen ist also die Enttabuisierung.

Ist die erektile Dysfunktion eine Krankheit?

Gerade bei nicht-betroffenen Männern werden Erektionsstörungen als ein Makel gesehen, dass mit einem Versagen beim Betroffenen zusammenhängen muss. Selbst im Gesundheitswesen sind Vorbehalte gegenüber dem Zusammenhang Erektionsstörungen und Krankheit vorhanden – von den Krankenkassen bis zu den Ärzten. Das ist äußerst bedauerlich und führte in der Vergangenheit immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Unstrittig bei Medizinern und Psychologen ist, dass die Sexualität ein Grundbedürfnis des Menschen ist. Sexuelle Aktivität ist wichtig für die körperliche und seelische Gesundheit. Wenn Erektionsstörungen eine sexuelle Aktivität einschränken oder verhindern, liegt unabhängig von der tatsächlichen Ursache und dem Alter eine gesundheitliche Beeinträchtigung – sprich eine Krankheit – vor.

In zahlreichen Gerichtsverfahren wurde diese Erkenntnis auch juristisch bestätigt. Die erektile Dysfunktion ist eine Krankheit, die Krankenkassen müssen demnach für die Feststellung (Diagnostik) und Behandlung der Impotenz aufkommen. Absurderweise hat mit der Gesundheitsreform 2004 der Gesetzgeber die Kostenübernahme von Potenzmitteln wie Viagra, Levitra, Spedra oder Cialis zur Behandlung der erektilen Dysfunktion ausgeschlossen.

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat dies in seinem Revisionsurteil vom 10. Mai 2005 bestätigt. Hierin wird bedauerlicherweise die Behandlung von Erektionsstörungen mit der Steigerung der Lebensqualität gleichgesetzt. Rechtlich ist die Erektionsstörung eine Krankheit, aber scheinbar nicht ganz.

Der Umgang mit Erektionsstörungen bei den Krankenkassen

Allgemein ist im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) ein Abweichen vom Leitbild eines gesunden Körper- und Geisteszustands eine Krankheit. Liegt dies vor, begründet sich hieraus ein Rechtsanspruch gegen die Krankenkasse auf Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln. In dem Zusammenhang ist auch die Behandlungsbedürftigkeit durch einen Arzt wichtig. Wird das Abweichen vom Leitbild mit ärztlicher Hilfe behoben, verbessert, gelindert oder eine Verschlimmerung verhindert, liegt eine Behandlungsbedürftigkeit vor.

Erektionsstörungen erfüllen diese Tatbestände, da die Beschwerden durch eine Behandlung mindestens gelindert werden können – wie juristisch schon festgehalten, sind Erektionsstörungen eine Krankheit.

Damit ist es auch unerheblich, welche Ursachen für die Erektionsstörungen verantwortlich sind oder ob diese wiederum behandlungsfähig sind. Beispiele hier sind eine Folge durch eine Operation im kleinen Becken, Querschnittslähmung, Diabetes, Arteriosklerose oder nicht behandelbare psychische Erkrankungen. Die erektile Dysfunktion ist auch in diesen Fällen behandelbar und zählt als Krankheit.

Bei der Wiederherstellung der Erektionsfähigkeit geht es schließlich nicht um eine Steigerung der Potenz oder der Pflege eines Lebensstils. Eine nicht mehr normal funktionierende Körperfunktion soll durch die Behandlung wieder hergestellt werden – dadurch ist der Patient wieder näher am gesunden Leitbild.

Das Alter ist kein Grund eine Behandlung abzulehnen

Unabhängig von der Frage der Behandlung ist damit auch das Alter oder ein eventueller Kinderwunsch. Dass dieses Problem beispielsweise im Alter keine Rolle mehr spielen würde, da mit dem Alter die Libido ohnehin abnehme, ist ein weiteres Gerücht. Aus der sogenannten „Kölner Studie“ wurde deutlich, dass 40 Prozent der Männer in der Altersgruppe zwischen 70 und 80 Jahren mindestens einmal die Woche sexuelle aktiv sind.

Nur die Hälfte der Männer in dieser Gruppe gab an, unter Einschränkungen bei der Erektionsfähigkeit zu leiden. Das Alter ist somit sicher kein Grund, eine Behandlung abzulehnen.

Dass der Umgang mit Erektionsstörungen aufseiten der Gesetzgebung und Gerichte nicht so eindeutig ist, wie er sein müsste, zeigt die oben genannte Gesundheitsreform mit der Herausnahme von Potenzmitteln aus dem Leistungskatalog (siehe auch: Impotenz – was zahlt die Krankenkasse?).

Dass die erektile Dysfunktion gleichzeitig als Krankheit anerkannt ist, führt somit zu einer etwas absurden Situation. Die Krankenkassen übernehmen die ärztlichen Kosten zur Diagnostik und Behandlung der Impotenz, einschließlich Heil- und Hilfsmittel. Nur die Arzneimittel sind aus dem Leistungskatalog gestrichen und müssen selbst gezahlt werden.

Fazit: Die erektile Dysfunktion ist kein Tabu, sondern eine Krankheit

Der Umgang mit Erektionsstörungen ist sowohl für Betroffene als auch für die Gesellschaft verbesserungswürdig. Erektionsstörungen sind kein Tabuthema, sondern eine ernsthafte Erkrankung. Die Behandlung ist, mit Ausnahme von Arzneimitteln, eine Krankenkassenleistung – unabhängig von der Ursache.

Wenn Sie unter Erektionsstörungen leiden, vermeiden Sie das Tabu, reden Sie mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner über die Situation und suchen Sie ärztliche Unterstützung. Nur so können Sie Ihre Erektionsfähigkeit wiedererlangen und zudem sicherstellen, dass die Erektionsstörung selbst kein Symptom einer ernsthaften Erkrankung, beispielsweise des Herz-Kreislauf-Systems, ist. Nur das ist der richtige Umgang mit Erektionsstörungen – vergessen Sie das „Mannes“-Bild der Werbung.

Keine Lust auf Wartezeiten, Sprechstunden oder unangenehme Fragen? Unser Tipp: Lassen Sie sich trotzdem von einem zugelassenen Arzt beraten – bei einer Online Klink wie z. B. 121doc. Weitere Details dazu finden Sie hier.

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Quellen und weitere Literatur

  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Leitlinien für Diagnostik und Therapie der Erektilen Dysfunktion http://www.dgn.org/images/red_leitlinien/LL_2012/pdf/ll_82_2012_diagnostik_und_therapie_der_erektilen_dysfunktion.pdf
  • Kölner Studie zur Prävalenz (Häufigkeit) von Erektionsstörungen (2000) https://www.researchgate.net/publication/245698410_Die_Pravalenz_von_mannlichen_Erektionsstorungen_in_Deutschland_heute_und_in_der_Zukunft_-_The_prevalence_of_male_erectile_dysfunction_in_Germany_today_and_in_the_future_-
  • Patientenmobilität in der EU
    https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/p/patientenmobilitaetsrichtlinie.html
    § 73 des Arzneimittelgesetzes (AMG)
    http://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/__73.html